«Freelancer:innen bieten viele Vorteile»

Autorin: Nicole

Andrea Gasch hat langjährige Erfahrung als HR-Leiterin in nationalen und internationalen Dienstleistungs- und Industrieunternehmen wie etwa Die Mobiliar und Swatch Group Universo. Seit bald einem Jahr führt sie ausserdem ihr eigenes Beratungsunternehmen HumanXpert GmbH.

WeTalents: In welchen Fällen lohnt es sich, mit Freelancer:innen zusammenzuarbeiten?

Andrea Gasch: Freelancer:innen können eine gute Option sein, um punktuell externes Fachwissen in das Unternehmen zu holen. Wer mit Freelancer:innen zusammenarbeitet, muss sich nicht mit administrativen Herausforderungen herumschlagen, hat wenig sozialversicherungs- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen und in der Regel nur kurze Mandatsdauern und/oder klar vereinbarte Lieferobjekte. Es liegt zudem nicht in der Verantwortung des Auftraggebers, wann und wo die Arbeit verrichtet wird. All diese Elemente können den Prozess erleichtern.

Wie finden Auftraggeber:innen geeignete Freelancer:innen?

Manche Branchen, wie etwa die IT, bieten eine grosse Auswahl an Plattformen für Freelancer:innen. In vielen anderen Berufsfeldern gibt es nur vereinzelte Begegnungsräume, in denen sich Auftraggeber:innen und Freelancer:innen direkt miteinander in Verbindung setzen können. Eine Alternative dazu sind Freelancer:innenagenturen, die jedoch oftmals teurer sind. Tatsächlich ist die Suche nach geeigneten Freelancer:innen deshalb gar nicht so einfach.

Auf was müssen Auftraggeber:innen bei einer Ausschreibung achten?

Zuerst muss man sich als Job Poster fragen, was genau der Auftrag beinhaltet, was das Ziel, die Aufgabe, das Lieferobjekt ist. Basierend darauf lassen sich die wichtigsten Skills definieren. Man sollte sich zudem fragen, was genau und in welchem Zeitraum man etwas geliefert bekommen möchte und ob dafür physische Präsenz nötig ist. Auch die Abrechnungsmodalitäten sind entscheidend. Möchte man zuerst eine Offerte einholen? Bietet man eine fixe Auftragspauschale? Soll die Freelancerin nach Stunden abrechnen?

Wie viele Skills integriert man sinnvollerweise in eine Ausschreibung?

Ich tendiere zu weniger ist mehr. Abhängig vom Projekt können sechs bis zehn Skills sinnvoll sein. Dadurch lässt man einerseits nicht zu viel Raum für Interpretationen, schreckt andererseits aber auch nicht zu viele Bewerbende ab. Wichtiger als eine ewig lange Liste an Skills find ich den menschlichen Aspekt. Wenn die Chemie stimmt, kann das wertvoller sein als jemand, der 15 Skills mitbringt, aber kein persönlicher Match ist und so den Lieferauftrag «anders» versteht und ausführt.

Auf was sollten Auftraggeber:innen bei einer ersten Auswahl achten?

Ein Vorteil der Zusammenarbeit mit Freelancer:innen ist der reduzierte administrative Aufwand – auch im Auswahlverfahren. Es wäre schade, würde man sich diesen Vorteil zunichtemachen, indem man gleich viel Zeit in die Rekrutierung steckt wie bei einem Festangestellten. Natürlich ist es sinnvoll, einen Lebenslauf oder ein Portfolio anzuschauen. Sieht das vernünftig aus, würde ich mich allerdings nicht lange mit Diplomen und Referenzen aufhalten, sondern mich stattdessen fragen: Wie wirkt die Person? Ist sie authentisch, vertrauenserweckend, lösungsorientiert? Bei komplexen Projekten könnte es sich lohnen, eine Testaufgabe zu stellen. Selbstverständlich sollte man das aus Fairnessgründen nur bei grösseren Aufträgen machen und sicherstellen, dass sich der Aufwand dafür auf maximal 60 Minuten beläuft. Solche Cases zeigen relativ schnell, wie jemand arbeitet und wie viel Unterstützung die Person in der Umsetzung benötigt.

Lohnen sich kurze Bewerbungsgespräche?

Wenn jemand anderes für einem die Vorselektion erledigt, macht ein kurzer Austausch via Telefon oder Videocall durchaus Sinn. Ansonsten können schriftliche Briefings insbesondere bei kleineren Aufträgen ausreichend sein. Letztlich hängt der Entscheid aber auch von der Firmenkultur ab.

Wie wichtig sind Vereinbarungen und Verträge in der Zusammenarbeit mit Freelancer:innen?

Ich empfehle in jedem Fall eine Schriftlichkeit mit der Klärung der gegenseitigen Erwartungshaltung. Es lohnt sich zudem, Worst-Case-Szenarien zu formulieren. Was also macht man, wenn die Zusammenarbeit nicht funktioniert, der Abgabetermin nicht eingehalten wird, die Qualität nicht stimmt? Solche Punkte zu Beginn einer Zusammenarbeit schriftlich festzuhalten, spart einem im Ernstfall unter Umständen den Gang zum Arbeitsgericht. Zudem empfehle ich allen, die mit Freelancer:innen zusammenarbeiten, eine Bestätigung der zuständigen AHV-Ausgleichskasse einzufordern. Nur so kann man sicherstellen, dass die Person selbstständig für die Begleichung der Sozialversicherungsabgaben aufkommt. Abhängig davon, wie heikel das Thema ist, lohnt sich zudem eine Geheimhaltungsvereinbarung.

Haben Sie noch einen weiteren Tipp an Job Poster Greenhorns?

Insbesondere dann, wenn man die Person noch nicht kennt, kann es sinnvoll sein, dem Freelancer erst einmal einen kleineren Auftrag anzuvertrauen. Wenn alles positiv verläuft, kann man später mit gutem Gewissen grosse Projekte mit dieser Person umsetzen, ohne sich ständig über die Qualität oder Zuverlässigkeit Sorgen zu machen. Ganz generell rate ich Auftraggebenden, nicht nur auf Qualifikationen, sondern auch auf positive Energie und gute Vibes zu achten.