Effizientes Recruiting: Schnell passende Kandidat:innen finden

Autorin: Nicole

David Luyet ist Head Talent Attraction bei der Swisscom und leitet ein interdisziplinäres Team von 25 Mitarbeiter:innen. Als Keynote Speaker referiert er regelmässig über Themen wie Employer Branding, Talent Aquistion, Active Sourcing, Recruiting und Talent Management.

WeTalents: Ist der Rekrutierungsprozess aufgrund der vielen Tools und Plattformen einfacher oder schwieriger geworden?

David Luyet: Wenn man weiss, welche Plattformen für die eigene Zielgruppe funktionieren, ist Recruiting in der Tat einfacher geworden. Weil es mittlerweile so viele Plattformen gibt, ist es aber auch umso wichtiger, die Zielgruppe zu verstehen und zu wissen, wo sie sich bewegt, wie man sie erreicht und worauf sie anspricht. Vor einigen Jahren funktionierte die «One fits all»-Rekrutierungsstrategie noch relativ gut. Heute ist das nicht mehr garantiert. Wenn traditionelle Kanäle also nicht das gewünschte Ergebnis bringen, muss man eben nach alternativen Plattformen und Strategien suchen.

Wie lässt sich ein effizienter Rekrutierungsprozess durch die Formulierung des Jobinserats fördern?

Grundsätzlich gilt: Je spezifischer ein Inserat formuliert ist, desto weniger Kandidat:innen bewerben sich darauf. Sucht man nach Fachspezialist:innen mit ganz bestimmten Fähigkeiten, kann das also durchaus sinnvoll sein. In allen anderen Fällen lohnt es sich, etwas allgemeiner zu bleiben und so aus mehr Bewerbungen jene Personen auszusuchen, deren Persönlichkeit und Mindset ebenfalls zum Unternehmen passt. Leider stelle ich fest, dass viele Unternehmen Standardfloskeln verwenden, um ihre Stellen zu beschreiben. Sie sind völlig austauschbar und vergeben sich dadurch die Chance, den eigenen USP herauszustreichen und auf die eigenen Werte und die Kultur einzugehen. So wie man sich von den Bewerber:innen ein Dossier wünscht, das heraussticht, sollte man sich eben auch als Unternehmen die Zeit nehmen, sich mit seinem Inserat von der Masse abzuheben.

Wann ist es zielführender, statt auf Multiposting eher auf Active Sourcing zu setzen?

Das hat zum einen mit dem Expert*innengrad einer Stelle zu tun, aber auch mit dem Verhalten der Zielgruppe. Wir wissen, dass sich beispielsweise in der IT-Welt viele Talente gar nicht erst auf Ausschreibungen bewerben, weil sie ohnehin regelmässig von Firmen direkt kontaktiert werden. In diesem Falle wäre ein Multiposting wenig zielführend. Wer aber tatsächlich 200 Bewerbungen auf eine Stelle erhält, kann sich vielversprechende Talents notieren und bei einer nächsten Ausschreibung in diesem Bereich ganz gezielt aus diesem Pool schöpfen. Auch das ist nämlich Active Sourcing und noch dazu äusserst effizient. Ebenfalls eine sehr ergiebige Quelle sind die Mitarbeiter:innen selbst. Wenn immer ich eine Stelle ausschreibe, frage ich zuerst bei der Linie nach, ob das Team interessante Kontakte hat, die wir angehen können. Das interne Netzwerk wird im Recruiting viel zu wenig genutzt.

Ist es sinnvoll, die Vorauswahl zu automatisieren?

Automatisierung bedeutet immer auch ein relativ starres Matching von Skills und Schlagwörtern. Für Potenzial und Chancen gibts aber keinen vernünftigen Algorithmus. Dafür brauchts eben doch den Menschen, der ein Dossier holistischer betrachtet. Automatisierung im Sinne eines Bewerber:innen Scores kann allerdings durchaus der Effizienzsteigerung dienen, weil man sich so nicht 200, sondern vielleicht nur 100 Dossiers anschauen muss.

Inwiefern vereinfachen Applicant Tracking Systems den Bewerbungsprozess?

Applicant Tracking Systems sind auf grössere Unternehmen mit vielen Rekrutierungen ausgerichtet und entsprechend auch nicht ganz billig. Solche Systeme können ab rund zehn Ausschreibungen pro Jahr sinnvoll sein, um Arbeitsschritte zu vereinfachen sowie eine Systematik und Historie in den Prozess reinzubringen. Bei kleineren Unternehmen mit weniger Rekrutierungen kann es aber schon reichen, das über eine CRM-Datenbank zu lösen.

Wie lassen sich Jobinterviews ressourcenschonend gestalten?

Ich bin ein grosser Fan von Erstgesprächen per Telefon oder Videocall. 20 Minuten reichen vielfach schon, um zusätzliche Informationen zum Dossier einzuholen und zu spüren, ob eine Person auch ein Cultural Fit wäre. Das ist für beide Seiten viel effizienter, als ein Live-Interview zu planen und nach fünf Minuten zu merken, dass es ganz grundsätzlich nicht stimmt. Ich finde es zudem hilfreich, das Team miteinzubeziehen. Kürzere Termine mit mehreren Personen sind meist aufschlussreicher als zwei lange bilaterale Gespräche. Wenn das Team einbezogen wird, ist es allerdings wichtig, im Voraus zu klären, ob sie ein Vetorecht haben oder ihr Feedback lediglich als Meinung in die Entscheidung einfliesst.  

Welche Effizienztipps geben Sie kleinen Unternehmen mit beschränkten Mitteln?

Es lohnt sich, verstärkt auf das Mitarbeiter:innennetzwerk zu setzen und dort Empfehlungen für spannende Talents abzuholen. Das RAV hat zudem eine kostenlose Datenbank mit vielen interessanten Kandidat:innen, die schnell verfügbar sind. Regionalverankerte Firmen können sich unter Umständen teure Inserate auf nationalen Jobportalen sparen und stattdessen ein Inserat bei der Regionalzeitung platzieren. Ich stelle zudem insbesondere bei kleineren Unternehmen häufig fest, dass sie bei jeder Rekrutierung bei null beginnen. Das ist ein grosser Zeitverlust. Als Rekrutierungsverantwortliche:r sollte man zu jedem Zeitpunkt die Augen und Ohren offen halten und interessante Kontakte etwa aus Spontanbewerbungen, Rekrutierungsprozessen oder anderen Begegnungen, dokumentieren, um bei Bedarf auf sie zugehen zu können.